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Channel: Hans-Martin Tillack » CIA-Flüge
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Eine Schnecke, kaum Fortschritt

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240 Jahre nach Schweden, vierzig nach den USA: 2006 bekam auch Deutschland ein Informationsfreiheitsgesetz. Drei Jahre danach zeigt sich, wie schlecht es wirklich ist.Heute abend um 23 Uhr berichtet das NDR-Medienmagazin Zapp über die Erfahrungen mit dem deutschen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) – auch über die, die ich damit gemacht habe. Meistens waren sie nicht so gut, mit der Ausnahme einer Recherche über die Sponsoren der Berliner Ministerien.

Dass das hiesige IFG nur eine blasse Kopie der guten Originale in den nordischen Ländern oder den USA ist, war von Anfang an klar. Viel zu viele großzügig formulierte Ausnahmebestimmungen, keine klaren Fristen für die Behörden, hohe Gebühren von bis zu 500 Euro – das alles macht das IFG so zahnlos, dass es kein Wunder ist, dass die Zahl der Bürger lächerlich gering ist, die es nutzt. Und es werden von Jahr zu Jahr weniger.

Aus Sicht der Ministerialbürokratie, die das Gesetz am liebsten ganz verhindert hätte, ist das sicher ein Erfolg. Wie klar der Sieg der Beamtenschaft ausgefallen ist, fällt erst nach und nach auf. Jedenfalls erlebt man das bei Versuchen, sich gegen offensichtlich willkürliches Behördenverhalten zu wehren.

Gleich zu Beginn des Jahres 2006, als das IFG gerade in Kraft getreten war, hatte ich bei zwei Bundesministerien Anfragen platziert. Eine betraf Flugdaten von Maschinen, die aus Sicht des Europarats als CIA-verdächtig galten. Wir wollten wissen, wann und wo sie auf deutschem Boden gestartet und gelandet waren. Bei der zweiten Anfrage ging es um die Namen der Empfänger von EU-Agrarsubventionen.

Dass die beiden verantwortlichen Ministerien – für Verkehr sowie Landwirtschaft – die Angaben nicht herausgeben wollten, war noch die geringste Überraschung. In beiden Fällen reichte der stern erst Widerspruch und dann Klage bei den Verwaltungsgerichten Klage ein. Was passierte dann? Erst mal lange nichts.

Im Fall der CIA-verdächtigen Flugzeuge ging die Sache noch vergleichsweise schnell. Die Betonung liegt auf vergleichsweise. 17 Monate nach meinem Antrag trafen wir die Ministerialen zum ersten Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Wo wir unterlagen. Die Gerichtspräsidentin gab der Behörde in allen Punkten recht. Genauso ihr Kollege Jürgen Kipp vom Oberverwaltungsgericht 16 weitere Monate später.

Schon allein die “Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen” auf die Beziehungen zur USA erlaube es der Bundesregierung, die Herausgabe der Daten zu verweigern, urteilte Kipp im Oktober 2008. Jetzt warten wir auf unsere nächste Chance – Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht. All das drei Jahre nach dem Antrag.

Wie gesagt, das ist das Schnellverfahren. Kommen wir zum schlechten Beispiel. In Sachen Agrarsubventionen dauerte es sage und schreibe bis Ende Oktober 2008, bevor unser Antrag von Anfang 2006 erstmals überhaupt in der ersten Instanz verhandelt wurde. Weil unsere Antragsgegnerin die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Bonn ist, sind die Verwaltungsgerichte in Nordrhein-Westfalen zuständig. Oh grausames Schicksal.

Zweieinhalb Jahre Warten auf einen Gerichtstermin – das erwartet man in Albanien oder Russland. Dabei sind wir im vermeintlichen Rechtsstaat Deutschland, Unterabteilung NRW. Angeblich ist Ministerpräsident Jürgen Rüttgers Schuld an der Misere. Dessen Landesregierung hatte im November 2007 das Recht auf Widerspruch gegen Verwaltungsentscheidungen weitgehend abgeschafft. Folglich landet nun jeder Streit zwischen Bürger und Bürokratie vor den Gerichten. Rüttgers’ Ziel war angeblich die „Entbürokratisierung“. Eine klasse Idee, Herr Ministerpräsident!

Übrigens gab uns der Verwaltungsrichter in Köln sogar teilweise recht. Half aber nichts, die BLE ging in Berufung und wir nun auch.

Aber halt, es gibt ja eine – unbürokratische und kostengünstige – Alternative zum Gang vor die Gerichte. Wer meint, seine IFG-Anfrage sei zu Unrecht abgelehnt worden, kann sich auch an Peter Schaar wenden, den Bundesbeauftragten für den Datenschutz, der seit 2006 auch Bundesbeauftragter für die Informationsfreiheit ist.

Interessanterweise ist das nicht einmal ein Interessenkonflikt. Ich habe mich oft an ihn gewendet, habe oft Rückendeckung bekommen und es nie erlebt, dass der Bundesbeauftragte aus Gründen des Datenschutzes einer Bundesbehörde bescheinigte, sie dürfe Informationen nicht herausgeben.

Nicht, dass sich die Bundesministerien dieses Argumentes nicht bedienen – etwa das von der SPD-Politikerin Brigitte Zypries geführte Justizministerium. Das wollte lange den Namen einer Firma nicht nennen, die das Ministerium gesponsort hatte – Datenschutz! Dabei gilt der Datenschutz laut Gesetz (das man im Hause Zypries offenbar lange nicht gelesen hatte) nur für Personen, nicht für Unternehmen. Der Bundesbeauftragte rügte darum öffentlich das Ministerium.

Zypries’ Motto scheint so zu lauten: Wer hat uns nichts verraten? Sozialdemokraten!

Aber auch der Bundesbeauftragte braucht viel, viel Zeit, um Beschwerden zu bearbeiten. Anfang Dezember 2007 hatte ich mich über mehrere Bundesministerien beklagt, die die Namen von Firmen geheim halten wollten, bei denen Ministerialmitarbeiter Nebentätigkeiten nachgehen. Schaar schien eigentlich auf meiner Seite. Bereits im Juli beanstandete er ganz formell das Verhalten des Bundesfinanzministeriums (BMF) in der Sache. Deren „Rechtsauffassung“ sei “in mehrfacher Hinsicht nicht mit dem IFG vereinbar.”

Das von Peer Steinbrück (ja, wieder SPD) geführte Ministerium, hatte allen Ernstes argumentiert, die von mir gewünschten Informationen lägen ihnen nicht vor. Eine Pflicht zur Informationsbeschaffung gebe es aber nicht.

Tatsächlich liegen Steinbrücks Beamten die von mir gewünschten Informationen natürlich sehr wohl vor. Immerhin müssen Nebentätigkeiten genehmigt werde. Was das Ministerium meinte: Man habe diese Daten nicht ausgewertet. “Das BMF verwechselt die Zusammenstellung der gewünschten Daten mit der Informationsbeschaffung”, resümierten Schaars Mitarbeiter.

Doch außer gegen das Finanzministerium hat der Bundesbeauftragte bis heute keine weitere Rüge ausgesprochen. Ob es am Personalmangel der Schaar-Behörde liegt? Daran, dass er nicht die Mitarbeiter bekam, die er bräuchte, um seine neue Rolle als IFG-Ombudsmann wahrnehmen zu können?

Im Juni diesen Jahres beschwerte ich mich in einer anderen Sache bei ihm. Das von Ursula von der Leyen (CDU) geführte Familienministerium wollte nicht preisgeben, welchen Wert zwei offenbar lukrative Aufträge hatten, die die Behörde an eine PR-Firma vergeben hatte. Ende Dezember fragte ich beim Bundesbeauftragten nach, was aus dem Fall geworden sei. Das Ministerium habe längst geantwortet, wurde mir bedeutet. Aber hausintern habe man sich beim Bundesbeauftragten noch nicht geeinigt, wie man Informationsbegehren betreffend Vergabeverfahren behandeln solle.

Vielleicht sollte ich mal auf Basis des IFG Einblick in die Akte des Bundesbeauftragten erbitten. Um herauszufinden, woran es hakt.


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